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Materialauswahl bei der Gummiproduktion –
Welche Komponenten sind entscheidend?

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Gummi ist ein vielseitiger Werkstoff, der sich aufgrund seiner chemischen und physikalischen Eigenschaften für eine Vielzahl industrieller Anwendungsfälle eignet. Diese Vielseitigkeit ergibt sich unter anderem daraus, dass eine Gummimischung ein komplexes Gemisch aus mehreren Komponenten ist, von denen jede die Eigenschaften des Vulkanisats maßgeblich beeinflussen kann. Die eine Mischung zu finden, die jede Anforderung an das Vulkanisat erfüllt, ist dabei oft eine Herausforderung, denn die Optimierung eines Faktors kann die weiteren negativ beeinflussen. Daher sollten Fertigungsunternehmen die Komplexität der Materialauswahl im Gummibereich nicht unterschätzen.

Gummi besteht nicht nur aus Kautschuk

Eine Gummimischung besteht aus einer Vielzahl von Roh- und Zuschlagstoffen, die sowohl die Verarbeitung als auch die Eigenschaften des finalen Produkts maßgeblich beeinflussen. Dazu gehören neben dem Kautschuk auch Füllstoffe, Weichmacher, das Vernetzungssystem, Verarbeitungshilfsmittel sowie verschiedene Additive (siehe Tabelle 1).
KomponenteEffekt auf die Eigenschaften
KautschukBasiseigenschaften (Temperaturverhalten, chemische Beständigkeit, Elastizität, …)
FüllstoffHärte, Festigkeit, Abrieb, elektrische Leitfähigkeit
WeichmacherHärte, Verarbeitbarkeit, Reißdehnung
VernetzungssystemVulkanisationsgeschwindigkeit, dynamisches und statisches Verhalten
VerarbeitungshilfsmittelFließverhalten, Entformbarkeit, Verarbeitungsverhalten
AdditiveFarbe, Extrudatstabilität, Alterungsverhalten, elektr. Leitfähigkeit, …

Tabelle 1: Die wichtigsten Komponenten einer Gummimischung und ihr Effekt auf die Eigenschaften des Vulkanisats.

Die grundlegende Komponente jeder Gummimischung ist das Polymer, der Kautschuk, der Basiseigenschaften wie Temperaturverhalten, chemische Beständigkeit oder auch Elastizität vorgibt. 

Bei der Zusammenstellung einer Gummimischung steht dem Hersteller neben Naturkautschuk eine Vielzahl an synthetischen Kautschuken zur Verfügung, die jeweils spezifische Eigenschaften aufweisen. Einige Kautschuke bieten beispielsweise eine ausgezeichnete Ölbeständigkeit, andere bestechen durch hervorragende mechanische Eigenschaften, wiederum andere durch eine sehr hohe Alterungsbeständigkeit. Für die meisten Anwendungsfälle gibt es einen geeigneten Kautschuk, der die gewünschten Eigenschaften bietet. 

Neben dem Kautschuk nehmen Füllstoffe (z. B. Ruße, Kieselsäure oder Kreide) den mengenmäßig größten Anteil innerhalb einer Gummimischung ein. Sie beeinflussen unter anderem die Härte, die Festigkeit, den Abrieb sowie die elektrische Leitfähigkeit des Vulkanisats. Weichmacher beeinflussen ebenfalls die Härte und die Verarbeitbarkeit der Mischung, aber auch die Dehnbarkeit. Das Vernetzungssystem macht zwar nur einen kleinen Teil der Gummimischung aus, hat aber großen Einfluss auf deren Eigenschaften. Es steuert in erster Linie die Vulkanisationsgeschwindigkeit, beeinflusst aber auch andere Charakteristika wie die Reißfestigkeit. Verarbeitungshilfsmittel beeinflussen die Handhabung der Gummimischung während des Produktionsprozesses. Hierzu gehören beispielsweise die Klebrigkeit und das Fließverhalten, also wie leicht die Mischung in eine Form gedrückt werden kann. Hinzu kommt eine Vielzahl weiterer Additive, die unter anderem die Farbe, die Extrudatstabilität, das Alterungsverhalten und die elektrische Leitfähigkeit der Gummimischung beeinflussen.

Die Auswahl des Vernetzungssystems

Die klassische Vernetzungskomponente für die Vulkanisation ist Schwefel. Allerdings ist reiner Schwefel für eine Vernetzung wenig effizient. Daher werden ihm in der Praxis Beschleuniger beigemischt, die ihn aktivieren und dafür sorgen, dass er sich sinnvoll in die Polymerkette einfügt.

Je nach Verhältnis zwischen Schwefel und Beschleuniger unterscheidet man zwischen drei Vulkanisationsarten:

Alle drei Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich der Kosten, der Vernetzungsgeschwindigkeit und der physikalischen Eigenschaften des Vulkanisats (siehe Abbildung 1).

Vergleich Vulkanisation

Abbildung 1: Vergleich der konventionellen, der semi-effizienten und der effizienten Vulkanisation.

Konventionelle Vulkanisation

Bei der konventionellen Vulkanisation verwendet man viel Schwefel und wenig Beschleuniger. Diese Methode zeichnet sich durch gute dynamische Eigenschaften und eine hohe Festigkeit aus. Außerdem ist sie etwas günstiger als die anderen beiden Vulkanisationsarten. Als Nachteil ist eine gewisse Reversionsneigung zu nennen, sprich es zeigt sich bei zu langer Vulkanisation eine Verschlechterung der Eigenschaften, was dann wiederum einen Einfluss auf den Fertigungsprozess hat.

Effiziente Vulkanisation

Im Gegensatz zur konventionellen Vulkanisation verwendet man bei der effizienten Vulkanisation mehr Beschleuniger und weniger Schwefel. Dadurch steigt die Vernetzungsgeschwindigkeit, während die Reversionsneigung sinkt. Diese Art der Vulkanisation zeichnet sich durch einen guten Druckverformungsrest (DVR) und eine hohe Hitzestabilität aus. Allerdings sind die Kosten etwas höher, da Beschleuniger im Vergleich zu Schwefel teurer sind.

Semi-effiziente Vulkanisation

In der Praxis verwendet man häufig einen hybriden Ansatz, also ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Schwefel und Beschleunigern, da dieses Vorgehen keine signifikanten Schwächen aufweist. Das ist in der Praxis ein deutlicher Vorteil, da man hier meist eine Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen betrachten muss.

Case Study: Gummi-Federelemente für die Agrartechnik

In unserer Case Study erfahren Sie, was eine intelligente Materialauswahl in der Praxis bewirken kann.

Die Vernetzungsdichte

Neben dem Verhältnis zwischen den beiden Komponenten ist auch die reine Menge an Vernetzungschemikalien relevant, denn mit der Anzahl der Vernetzungspunkte pro Volumeneinheit ändern sich auch die Eigenschaften des Vulkanisats (siehe Abbildung 2). Steigt die Vernetzungsdichte, nehmen sowohl die Härte als auch die Elastizität zu, während Eigenschaften wie der Druckverformungsrest abnehmen. Andere Aspekte wie die Reißfestigkeit entwickeln sich dagegen nicht linear. Sie steigen zunächst an, erreichen dann ein Maximum und sinken bei weiter zunehmender Vernetzungsdichte wieder ab.

Aus diesem Grund ist es wichtig, die Menge des Vernetzungssystems exakt an die Rahmenbedingungen anzupassen. „Viel hilft viel“ gilt in diesem Zusammenhang nicht und kann sich sogar als schädlich erweisen.

Kurven Kautschuktechnologie

Das Füllstoffsystem

Eine weitere wichtige Komponente, die es im Rahmen der Materialauswahl zu betrachten gilt, ist das Füllstoffsystem. Hierbei unterscheiden wir zwischen aktiven (oder auch verstärkenden) und inaktiven Füllstoffen:

Eine Übersicht des Einflusses aktiver und inaktiver Füllstoffe auf Viskosität, Härte, Reißfestigkeit und Abrieb eines Vulkanisats können Sie Abbildung 3 entnehmen.
Kautschuktechnologie Kurven

Zusammengefasst: Intelligente Materialauswahl ist ein Muss

Neben den Basismaterialien Kautschuk und Schwefel gibt es eine Vielzahl weiterer Komponenten, die in die Herstellung eines Vulkanisats eingehen. Jeder dieser Werkstoffe wirkt sich unterschiedlich auf die Eigenschaften von Zwischen- und Endprodukten aus. Durch Interaktion zwischen den Komponenten bilden sie gemeinsam ein Netz aus Einflussfaktoren, dessen Komplexität Fertigungsunternehmen nicht unterschätzen sollten. Eine Mischung zu finden, die sämtliche Anforderungen erfüllt, ist oft eine Herausforderung, denn die Optimierung eines Faktors kann sich in anderen Bereichen negativ auswirken. Das Prinzip „viel hilft viel“ gilt daher in der Gummiproduktion nicht. Unternehmen sollten stattdessen darauf achten, schon bei der Materialauswahl die Eigenschaften des fertigen Produkts in den Vordergrund zu stellen. Intelligente Entscheidungen in dieser frühen Phase lohnen sich auf lange Sicht.
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Autor: Dr. Robert Zahn

Unser Mischungsexperte Dr. Robert Zahn hat an der Leibniz Universität Hannover in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Kautschuktechnologie e.V. (DIK) promoviert. Dabei lagen die Schwerpunkte im Bereich Elastomerchemie und Kautschuktechnologie. Er ist seit 2017 für Jäger am Standort Hannover in der Produkt- und Prozessentwicklung für den Bereich Materialentwicklung tätig.

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