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Gummi & Kunststoff: Global Sourcing ist nicht
immer die beste Beschaffungsstrategie

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Global Sourcing gilt nach wie vor als Goldstandard der Beschaffungsstrategien, auch in der Gummi- und Kunststoffbranche. Formteile aus Südostasien zu beziehen ist so weit verbreitet, dass viele Unternehmen andere Optionen gar nicht mehr in Betracht ziehen. Allerdings schränken sich Entscheider*innen im Einkauf mit dieser Denkweise unnötig ein, denn auch Global Sourcing ist keine Universallösung für alle Beschaffungsszenarien. Oft ergibt es Sinn, auf deutsche Lieferanten auszuweichen, trotz des höheren Einkaufspreises.

Die Qualität internationaler Zulieferer schwankt oft

Eins gilt es von vorneherein klarzustellen: Deutsche Anbieter sind nicht grundsätzlich besser als internationale. Auch in anderen Ländern gibt es hervorragende Gummi‑, Kunststoff- und Werkzeugproduzenten, die Waren in Top-Qualität liefern. Zudem haben internationale Zulieferer oft auch Markenprodukte großer Konzerne im Portfolio, deren Qualität überall auf der Welt gleich ist.

Allerdings sind die Preise dieser Top-Anbieter für die örtlichen Verhältnisse auch entsprechend hoch, was den Intentionen des Global Sourcings widerspricht. Es ergibt nur wenig Sinn, Waren um die halbe Welt zu transportieren, wenn der Einkaufspreis letzten Endes dem entspricht, den ein deutscher Hersteller verlangt hätte. Wer Waren aus Übersee bezieht, tut dies meist, um die Kosten zu reduzieren. Und das geht fast immer zulasten der Qualität.

Hierbei geht es nicht um das allgemeine Qualitätsniveau, sondern um die Konsistenz. Die Maßtoleranzen günstiger internationaler Zulieferer sind oft wesentlich höher, als deutsche Unternehmen es gewohnt sind. Beispielsweise ist es üblich, dass die Shore-Härte von Gummiplatten mit einer Toleranz von ±5 Punkten angegeben wird. Bei Exportware werden dagegen sehr häufig Toleranzen mit ±10 Punkten angesetzt, wodurch es zu großen Differenzen beim Kunden kommen kann. Eine Charge Unterlegscheiben kann somit eine Härte von 75 Shore und die nächste eine von 60 Shore aufweisen, obwohl beide die Qualitätsprüfung des Zulieferers bestanden haben.

Für die Produktion ist solch eine hohe Streuung problematisch. Insbesondere europäische Normen und Verordnungen lassen nur wenig Spielraum für Schwankungen. Diese Tatsache ist jedoch Lieferanten aus Übersee oft nur schwer zu vermitteln. Aus ihrer Sicht wirken die Anforderungen deutscher Kunden penibel, was die Abstimmung zusätzlich erschwert.

Große Distanzen erschweren die Neuentwicklung

Neue Produkte zu entwickeln, wenn Unternehmen aus mehreren Ländern involviert sind, ist ein schwieriger Prozess. Kommunikation und Abstimmung sind bereits unter normalen Umständen aufwändig. Kommt noch das Prototyping hinzu, steigt der Aufwand weiter an. Im Gummi- und Kunststoffbereich gibt es meist zwei Bemusterungsschleifen, bevor das Formteil in die Fertigung geht. Fällt hier ein Fehler auf, muss der Lieferant nachbessern und das Muster erneut nach Deutschland schicken, was selbst per Luftpost einige Tage dauern kann.

Im Werkzeugbau sind diese Verzögerungen noch gravierender. Tritt hier ein Fehler auf, muss der Kunde das Werkzeug zur Korrektur zurückschicken. Auf dem Seeweg kann das sechs bis zehn Wochen dauern. Der Luftweg ist schneller, frisst allerdings den Preisvorteil auf. Dann muss der Lieferant nachbessern und das Werkzeug wieder nach Europa senden. Der gesamte Prozess kann drei bis vier Monate in Anspruch nehmen.

Es gibt zwar Mittel und Wege, um diese Verzögerungen zu reduzieren, aber diese sind mit anderen Nachteilen verbunden. Personal für die Bemusterung des Werkzeugs ins Ausland zu schicken ist zum Beispiel nicht immer praktikabel. Für Nachbesserungen einen deutschen Hersteller hinzuzuziehen negiert wiederum den Kostenvorteil des Global Sourcings.

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Oft treten Kommunikationsprobleme auf

Je größer die Distanz zwischen Auftraggeber und Produktionspartner ist, desto schwerer gestaltet sich die Zusammenarbeit. Das beginnt schon bei der Tatsache, dass sich in verschiedenen Zeitzonen die Bürozeiten eventuell nicht überlappen.

China ist Deutschland zum Beispiel sieben Stunden voraus. Eine Rückfrage am Nachmittag eines deutschen Unternehmens kommt bei den chinesischen Kolleg*innen erst am späten Abend an. Deren Antwort erreicht Europa erst am nächsten Morgen. Ein Dialog gestaltet sich auf diese schwierig. Auch Telefonate oder Web-Meetings sind problembehaftet, da für eine gemeinsame Terminfindung nur ein kurzes Zeitfenster besteht, in dem sich die Bürozeiten beider Unternehmen überschneiden.

Hinzu kommen interkulturelle Verständigungsprobleme. Die deutsche Kommunikationsart wird im Ausland als sehr direkt wahrgenommen. Kulturen in Südostasien tendieren dagegen zu einer indirekten Verständigung und vermeiden es, eine andere Person vor den Kopf zu stoßen. Solche Unterschiede führen manchmal zu Missverständnissen. Auch Unterschiede in der Arbeitsweise können problematisch sein. Die typisch deutsche Fokussierung auf Details und Präzision teilen nicht alle Länder, was zu Konflikten führen kann.

Darüber hinaus darf man die technische Seite nicht vergessen. Unternehmen im Ausland setzen teils andere Software-Lösungen oder Kommunikationsstandards ein, die mit ihren deutschen Pendants nicht immer kompatibel sind. CAD-System sind hierfür ein gutes Beispiel. Elektronische Konstruktionszeichnungen deutscher Unternehmen können internationale Partner teilweise nicht öffnen oder sie kommen verzerrt an. Das erzeugt zusätzlichen Abstimmungsaufwand.

Global Sourcing birgt immer Risiken

Zusätzlich zu den produktionsspezifischen Herausforderungen des Global Sourcings gibt es Nachteile, die jedes Unternehmen in Kauf nimmt, das Waren aus Übersee bezieht. Dazu gehört neben langen Grundlieferzeiten auch das Risiko für ungeplante Ereignisse, die eine termingerechte Lieferung verzögern. Das können schlechte Wetterbedingungen sein, aber auch Staus an Engstellen oder vielfrequentierten Umschlagplätzen. Politische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Beispielsweise haben die chinesischen Behörden im August 2021 zwecks Pandemiebekämpfung den zweitgrößten Containerhafen des Landes geschlossen, was Lieferketten auf der ganzen Welt beeinträchtigt hat.

Auch die Flexibilität leidet, wenn ein Unternehmen Gummi- und Kunststoffformteile aus Übersee bezieht. Nachfragespitzen sind schwer zu bedienen, wenn zusätzlicher Nachschub mehrere Wochen im Container unterwegs ist. Hinzu kommen gesetzliche Vorgaben, die das globale Supply-Chain-Management vor Herausforderungen stellen, zum Beispiel Umweltauflagen oder das Lieferkettengesetz der EU.

Zusammengefasst

Global Sourcing ist als Beschaffungsstrategie so weit verbreitet, dass viele Unternehmen andere Optionen gar nicht mehr in Betracht ziehen. Solch ein Tunnelblick ist jedoch immer riskant. Bei all ihren Stärken hat die globale Beschaffung von Gummi- und Kunststoffformteilen auch einige Nachteile, die je nach Situation gravierende Auswirkungen haben kann. Dazu zählen unter anderem ausgeprägte Qualitätsschwankungen, potenzielle Verständigungsprobleme mit Produktionspartnern und lange Lieferzeiten.

Das heißt natürlich nicht, dass Fertigungsunternehmen grundsätzlich auf Global Sourcing verzichten sollten. Allerdings lohnt es sich, festgefahrene Beschaffungsstrategien zu überdenken und zu überprüfen, ob ein Gummi- und Kunststoffanbieter in Deutschland eventuell die bessere Wahl ist. „Just go to China“ ist nicht immer die beste Strategie.

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Werner Kruckenberg

Autor: Werner Kruckenberg

Werner Kruckenberg ist seit 1981 bei Jäger im Vertrieb tätig. Der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann leitet seit 2001 den Standort in Nürnberg/Fürth.

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